FRANK BODIN
Werber des Jahres 2009

INTERVIEW

Frank Bodin

Branchenexperte
Werber des Jahres 2009

«Gute Marketing-Kommunikation ist der Boden für erfolgreichen Verkauf und alle Massnahmen dafür zielen in Richtung POS..»

Frank Bodin, ehem. Chairman und CEO der Agentur Havas Worldwide Zürich/Genève, gehörte zu den bedeutendsten Werbeschaffenden der Schweiz. Werber des Jahres 2009, Präsident ADC Schweiz, Vorstand der KS/CS und von lsa leading swiss agencies sowie Gastdozent an Hochschulen und Universitäten. Wenn es um Werbung geht, ist Frank Bodin in seinem Element. Im Gespräch mit Excom Media nimmt er Schweizer Pharmawerbung ins Visier und erklärt, weshalb der POS für erfolgreiche Marketing-Kommunikation eine so wichtige Rolle spielt.


Herr Bodin, wie beurteilen Sie als Werbeprofi Pharmawerbung in der Schweiz?
Die Formel für gute Werbung lautet: Information + Emotion. Der emotionale Spielraum ist bei Pharmawerbung von Gesetzes wegen zu Recht eingeschränkt. Von dieser Seite aus betrachtet ist vieles davon sehr brav, aber sicherlich professionell. Dennoch hat sich ein gewisser Branchenstandard eingeschlichen: «Weil es alle so machen, mache ich es auch so.» Gute Werbung schafft jedoch neue Standards. Nur so hebt man sich von der Masse ab und kann sich als Marke differenzieren. Dabei darf das Vertrauen aber nie gebrochen werden. Dieser Spagat zwischen Kreativität und Vertrauenswürdigkeit ist die hohe Kunst des Werbens und besonders wichtig bei Pharmawerbung.


Was halten Sie vom Healthcare & Beauty Channel, der eine Kampagne crossmedial an den POS führt, um dort Reminderkontakte besonders wichtig bei Pharmawerbung zu generieren?
Gute Marketing-Kommunikation ist der Boden für erfolgreichen Verkauf und alle Massnahmen dafür zielen in Richtung POS. Konzipiert man heute eine Kampagne, ist dieser wichtige Touchpoint von Anfang an miteingeschlossen. Am Verkaufspunkt ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Portemonnaie. Erscheint das Produkt zudem auf einer attraktiven Fläche, wie auf einem Screen, hebt man sich aus dem oft recht wilden Umfeld eines POS hervor. Ausserdem habe ich durch das Bewegtbild die Möglichkeit, eine gewisse Emotionalität hineinzubringen. Also vom werberischen Standpunkt aus sind die POS-Screens eine sehr sinnvolle Sache.


Instore-Kommunikation hat den Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu Interruptionswerbung, nicht nervt. Wie wichtig ist ein positives Rezeptionsumfeld für Werbeinhalte?
Meines Erachtens geht das Zeitalter der belästigenden Werbung der Neige zu. Konsumentinnen und Konsumenten haben es heute selber in der Hand, wann, auf welchem Kanal und wie sie sich informieren, sprich Werbung konsumieren möchten. Und das ist gut und richtig so. Will ich einen Spielfilm sehen, möchte ich keine Werbung anschauen. Die Situation am POS ist eine komplett andere. Denn hier bin ich mit einer ganz anderen Bereitschaft vor Ort. Hier begrüsse ich Information und bin empfänglich für Werbebotschaften, besonders in Wartesituationen. Kommt die Werbung dann noch attraktiv und modern daher, ist es für mich als Konsument ein Mehrwert und keine Belästigung, was natürlich auch das Empfinden gegenüber den Werbeinhalten positiv beeinflusst.


Der POS-Film ist grundsätzlich ein stummer Kurzfilm. Nach welchen Kriterien würden Sie einen POS-Spot aufbauen oder gestalten?
Jedes Medium hat seine Stärken, aber natürlich auch seine Schwächen. Auf das muss unbedingt eingegangen werden. Eine Stärke des POS-Spots ist die crossmediale Konzeption respektive die Wiedererkennbarkeit. Kürzungen und Anpassungen sind dabei selbstverständlich. Am POS geht es um eine Reminderfunktion: «Ah, das habe ich schon einmal gesehen.» Das steigert das Vertrauen bei den Konsumentinnen und Konsumenten aber nur, wenn die Problemlösung sofort erkennbar ist. Also braucht jeder Spot eine Plakativität, ohne Details, mit schnellem Zugang zum eigentlichen Angebot.


Welche Art von Werbung nervt Sie persönlich?
Alle Werbung, die Konsumentinnen und Konsumenten für dumm verkauft. Werbung, der keine klare Strategie zugrunde liegt. Werbung, die in irgendeiner Form Gefühle verletzt. Solche Werbung möchte ich eher vermeiden.


Was ist gute Werbung?
Gute Werbung bewegt Menschen und eine Marke. Sie leistet einen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Wenn ich Werbung mache oder beurteile, stelle ich mir immer drei Fragen, die es im Idealfall alle mit einem Ja zu beantworten gilt:


1. Macht es Sinn?
Es gibt zahlreiche Werbebeispiele, die in dieser Form keinen Sinn machen. Einen POS-Screen oder ein Plakat mit einer 4-Punkt-Schrift zuzumüllen ­ ̶ das macht keinen Sinn, weil es nicht lesbar ist. Oder wenn keine klare Kommunikationsstrategie zugrunde liegt, keine Mediastrategie oder die crossmediale Verbindung nicht gegeben ist. Jeder Schuss ins Blaue ist vergeudetes Werbegeld.


2. Bewegt es die Menschen und die Marke?
Wenn ich mit langweiligen Umsetzungen Leute belästige, dann bewegt das relativ wenig. In diesem Fall muss sehr viel Mediageld fliessen, um Leute immer wieder daran zu erinnern. Raffinierte Werbung schafft aufgrund guter Stilistik und Tonalität Menschen zu bewegen und das Markenbild positiv zu beeinflussen.


3. Ist es vorbildlich?
Diese Frage ist die Krone. Nur dann reden wir über wirklich gute Werbung. Vorbildlichkeit hat für mich zwei Komponenten: Zum einen braucht es eine Vorbildlichkeit innerhalb der Branche. Dabei steht die Machart im Vordergrund. Die Werbung muss etwas Originelles, etwas Spezielles in sich tragen. Das hebt mich von den Mitbewerbern ab und überzeugt auf dem Markt. Zum Zweiten bedeutet es aber auch Vorbildlichkeit gegenüber der Gesellschaft. Ich denke, da ist ein Unternehmen immer gut beraten, wenn es bei seinem öffentlichen Auftritt ­ ̶   und Werbung ist immer ein öffentlicher Auftritt ­ ̶  eine gewisse Vorbildlichkeit lebt. Kann ich diese drei Fragen mit «ja» beantworten, habe ich in der Regel ein gutes Stück Marketing-Kommunikation. Das perfekte Schlusswort.



Vielen Dank, Herr Bodin, für das Gespräch.